Swissdentalnews.com
Die ersten 3 Minuten entscheiden. Über die Wichtigkeit der Kommunikation in der Zahnarztpraxis.
Kursteilnehmerinnen: Einzigartige Dentalassistentinnen
«Die einzigartige Dentalassistentin» lautet das Seminar von Hansruedi Stahel an der Fortbildung Rosenberg. Das Thema stösst auf so reges Interesse, dass noch zusätzliche Tische aufgestellt werden
müssen für die Teilnehmerinnen. Denn ja, es sind, neben zwei Zahnärzten, natürlich hauptsächlich junge Frauen, eben Dentalassistentinnen, die hier partizipieren. Dozent Stahel stellt zu Beginn
das Ziel des Kurses klar: «Ich möchte, dass sie heute alle etwas einzigartiger nachhause gehen.»
Dafür braucht Kommunikationsexperte Stahel keine Powerpoint Präsentation. Der Vortag wird gefüllt mit Anekdoten, Bonmots und praktischen Tipps wie: «Die ersten 3 Minuten entscheiden. Den Sieger
erkennt man am Start, den Verlierer auch.»
Stahel greift aus dem vollen Motivationstraining-Erfahrungsschatz. Schliesslich hat er die wortwörtliche Tellerwäscher-Karriere hinter sich. Fiel im Alter von 15 Jahren von der Schule, musste im
Welschland als Tellerwäscher arbeiten, bis er eines Tages Generalmanager einer Pharma-Firma wurde. Hansruedi Stahel fragt in den Saal: «Wer ist in der heutigen Zeit noch erfolgreich und weshalb?»
und liefert die Antwort gleich nach «Diejenigen, die erfolgreich kommunizieren können.»
Der Besuch in der Zahnartzpraxis sei oft schon negativ konnotiert. Umso wichtiger, dass hier richtig kommuniziert wird. Das fängt bereits am Telefon an. Stahel empfiehlt der Dentalassistentin Sätze wie: «Wie kann ich Ihnen helfen?» aus dem Repertoire zu streichen. Ein «Sind sie noch da?» durch ein «Danke fürs Warten!» zu ersetzen. Statt «Ich muss die Unterlagen holen» rät er zu sagen: «ich hole gerne schnell die Unterlagen.» Und «Dafür bin ich nicht zuständig» töne in der Form «Das kläre ich gerne ab» besser.
Durch den ganzen Informationsüberfluss entstehe in den Menschen eine Verstopfung. Deshalb werde vieles gar nicht mehr aufgenommen. Umso wichtiger sei der erste Eindruck. Ein freundlicher Empfang.
«Durch eine Bedürfnisanalyse können wir diese Verstopfung lösen. Nicht das Was sondern das Warum ist interessant. Die PatientInnen müssen spüren, dass man Ihre Bedürfnisse erkennt. Sie möchten
sichtbar sein.»
Auch für die Zahnärzte im Saal hat Stahel einen praktischen Tipp:
«Der Behandler sollte mal mindestens 10 Minuten ins eigene Wartezimmer sitzen. Oft hat es dort nämlich Fachmagazine mit blutigen Fotos oder es laufen Filme von Operationen. Das wollen die PatientInnen nicht sehen. Kein Blut. Nichts Negatives. Sonst kommt die Patientenschaft schon verstopft aus dem Wartezimmer in die Behandlung. In das Wartezimmer gehört etwas Lustiges, etwas Nettes.»
Referent Hansruedi Stahel und Zahnarzt Dr. med. dent. Oliver Ernst
Stahel betont, wie wichtig die Kommunikation sei. Etwas das im Zahnmedizin Studium nicht stattfindet. Gut zu wissen sei auch, dass Frauen und Männer ganz anders kommunizieren. «Die Frau hat pro Tag 20'000 Kommunikations-Kontakte, davon sind 93% nonverbal. Frauen kommunizieren aus der Perspektive der Freude, Männer sachlich, logisch, nach Leistung.»
Heutzutage kommen die meisten PatientInnen schon mit einer Illusion in die Praxis. In der TV-Arzt-Serie haben sie gesehen, wie der Chefarzt persönlich bereitsteht, wenn die Ambulanz eintrifft. Mit dieser Illusion kommen sie auch in die Zahnarztpraxis. Die Illusion ist in der Kommunikation ein wichtiger Faktor. Ein gutes Gespräch vermittelt dem Patienten der Patientin, dass sie ernst genommen und verstanden wird. Die Illusion «ich bin der wichtigste Mensch» muss aufrechterhalten werden. Und hierfür sei der erste Moment match-entscheidend. Ein unfreundliches Telefon, ein herablassender Empfang und der Patient ist verstopft oder bereits wieder weg. Für das gute Klima in einer Praxis sei die Dentalassistentin wesentlich verantwortlich.
Keine Powerpoint, aber viel. aus dem Erfahrungsschatz
Referent Hansruedi Stahel meint abschliessend. «Auf Erfolg folgt Erfolg». Mentale Stärke ist lernbar. Deshalb müssen sich Dentalassistentinnen einzigartig fühlen, so könne positive Kraft weitergegeben werden. «Der negative Gedanke, nur weil er der Situation entspricht, ist verboten. Man soll sich Ziele setzen und sich jeden Abend, vor dem ins Bett gehen loben für das, was einem gelungen ist. Die Kraft der positiven Gedanken nutzen.»
Nach dem Kurs fragte ich die Dentalassistentinnen, ob sie sich denn nun nach diesem 4-stündigen Seminar tatsächlich grossartiger fühlen? Jede hat Ja gesagt.
Das Seminar «Die Einzigartige Dentalassistentin» ist aus dem Programm der Fortbildung Rosenberg: https://www.fbrb.ch
Referent Hansruedi Stahel im Interview mit Marion Gredig, Chefredaktorin Swissdentalnews.com
https://swissdentalnews.com/die-einzigartige-dentalassistentin/
5.4.2023
Nadja Ehrbar@NadjaEhrbar
Hansruedi Stahel zog als 15-Jähriger aus Turbenthal weg, weil er sich nicht akzeptiert fühlte. Erst schlug er sich als Tellerwäscher und Laufbursche durch, später als Direktor in einem Grosskonzern. Seit er pensioniert ist, berät er Menschen in schwierigen Situationen.
Hansruedi Stahel empfängt den Besuch schon im Treppenhaus. Im Wohnzimmer ist es angenehm warm, im Cheminée brennt schon am Morgen ein Feuer. «Damit heizen wir in der Übergangszeit die ganze Wohnung nach», sagt er, «denn sie ist gross.» Über Turbenthal hat sich der Nebel noch nicht gelichtet, die Temperaturen sind unter den Gefrierpunkt gefallen. In der Küche brummt die Kaffeemaschine, Stahel serviert Kaffee.
Der 72-Jährige lebt auf der Überholspur, so scheint es. Er ist allen und jedem einen Schritt voraus. Fragen braucht es keine. Er erzählt auch so – praktisch ohne Pause – aus seinem Leben und dem,
was er beruflich tut. Denn mit 65, einem Alter, bei dem sich die meisten zur Ruhe setzen, gründete er seine eigene Firma. Heute berät er Ärzte und Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft in
Krisensituationen und bringt Ehepaaren sowie Familien bei, wie sie miteinander kommunizieren müssen. Er habe in den letzten Wochen wieder sehr viel um die Ohren gehabt, erzählt er. Elfmal sei er
im Flieger gesessen. «Das ist zu viel.» Er habe sich bremsen müssen.
Hansruedi Stahel hat im wahrsten Sinne des Wortes eine Tellerwäscherkarriere durchlaufen. Nicht dass er heute Bundespräsident wäre. Aber er brachte es vom Schulabbrecher zum Direktor in einem
international tätigen Pharmakonzern, für den er schliesslich 28 Jahre arbeitete.
Er wuchs in Turbenthal auf. Nach Abschluss des zweiten Sekundarjahres zog er als 15-Jähriger nach Genf. «Im Tösstal hielt ich es nicht mehr aus, ich fühlte mich von niemandem akzeptiert.» In
einer Grosskonditorei wusch er Geschirr ab und lieferte als Laufbursche mit dem Velo Desserts an vermögende Kunden aus.
Hätte er auf seinen Vater gehört, so wäre er irgendwann Verkäufer geworden. Er aber machte eine Drogistenlehre und arbeitete zuerst in einer Grossdrogerie, während er abends die Handelsschule
besuchte. Danach absolvierte er die Drogistenfachschule in Neuenburg. Als Betriebsassistent in einer Fabrik hielt er es nicht lange aus. «Das war langweilig.» Also besuchte er als
Aussendienstmitarbeiter Ärzte und erklärte ihnen Medikamente. Später bildete er selbst Aussendienstmitarbeiter aus. In den Pharmakonzern stieg er als Grosskundenbetreuer ein. Und in nur sechs
Monaten arbeitete er sich zum Marketingchef hoch.
Stahel scheut sich nicht, auf seine Erfolge hinzuweisen. Stolz präsentiert er Diplome und Medaillen. Gleichzeitig räumt er aber auch ein: «Ich bin kein einfacher Mensch.» Er sei ständig auf
Draht, impulsiv und wolle oft recht haben. «Was ich dann auch habe.» Sagt er und lächelt.
Seit 42 Jahren ist er mit seiner Frau Kiddy verheiratet. «Sie bedeutet mir sehr viel», schreibt er auf der Internetseite seiner Firma. Sie pflegten eine gute Streitkultur, das halte zusammen.
«Und sie ist meine beste Beraterin.» Obwohl sie von seinem Business nichts verstehe.
Er lernte Kiddy im Zug kennen. Sie war damals 20 Jahre alt, eine kleine zierliche Frau. Er sah sie und beschloss: «Die heirate ich.» Sechs Jahre vergingen, bis sie vor den Traualtar traten. Die
beiden haben eine Tochter und zwei Enkelinnen. Die Familie sei ihm sehr wichtig. Sie schafft neben Freunden, dem Glauben («Ich bin Christ») und Sport den nötigen Ausgleich, den er braucht, wenn
er sich wochenlang mit den Problemen anderer beschäftigt. So sehr, dass sie ihn manchmal nicht mehr loslassen.
Nach der Gründung seiner Firma wuchs die Zahl der Aufträge stetig an. Stahel machte zwar keine Werbung, seine Fähigkeiten sprachen sich aber herum. An Vorträgen traten die Leute an ihn heran und
baten ihn, sie zu coachen. Er arbeitete 14 Stunden am Tag, bis er gesundheitliche Probleme bekam. Dann musste er einen Gang runterschalten und sich selbst coachen.
Mit seiner Frau habe er gelernt, Nein zu sagen und die richtigen Prioritäten zu setzen. Nun geht er jeden zweiten Tag joggen, reserviert einen Abend pro Woche für seine Frau und schaut nur
dosiert fern. Der Fernseher steht in einem Neben- und nicht im Wohnzimmer und ist für die Champions-League-Spiele reserviert.
Aus dem Berufsleben verabschieden will sich Stahel noch lange nicht, «aber etwas kürzertreten», damit er mehr Zeit fürs Joggen, Biken und Bergsteigen habe. Seit Jahren nimmt er an
Ultra-Laufwettkämpfen teil, etwa am 100-Kilometer-Lauf von Biel. Das will er auch in Zukunft tun. Und weiter Menschen beraten, die ihm besonders am Herzen liegen: Eheleute und Ärzte im Gespräch
mit ihren Patienten.
Ihnen vermittelt er etwa den Glaubenssatz «Den Sieger erkennt man am Start, den Verlierer auch». So seien die ersten Minuten eines Gesprächs entscheidend. Gelängen sie, «kann man anschliessend
auch eine unbequeme Botschaft besser vermitteln». Menschen, die nicht mehr an sich glaubten, verbiete er als Erstes sämtliche negativen Gedanken. «Dann kehrt der Erfolg von selbst zurück.» Mit
positiven Gedanken liessen sich Handlungen beeinflussen. Er wolle nicht die Probleme anderer lösen. «Sondern den Menschen beibringen, wie sie sie selbst lösen können.»
Der Landbote, 11.12.2016